Ich kokettiere ja ganz gerne damit, dass ich völlig unmusikalisch bin, das hat mir ja auch schon den einen oder anderen amüsanten Abend bescherte. Aber die völlige Abwesenheit des musikalischen Talents und der Unwille, mich von der Kunst der Musik einfangen zu lassen, ist tief in mir verwurzelt.
Anfangen hat das Ganze in den 60er Jahren. Mein Opa war ein leidenschaftlicher Zocker. Da aber das Glücksspiel in der damaligen UdSSR verboten war, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich bei den Spießern einzureihen und an der monatlichen Lotterie Verlosung teilzunehmen. Aber nicht schlimm genug, dass man diesen Nervenkitzen nur einmal im Monat mit zig anderen Spinnern teilen musste, nein viel schlimmer war, die Tatsache, dass man nicht mal Geld gewinnen konnte, sondern irgendwelche Sachgüter. Ein Teppich, ein Fernseher, vielleicht sogar mal ein Auto oder eine Reise auf die Krim ans schwarze Meer, ja früher war das tatsächlich mal was Schönes. Also alles nützliche Ding, die man irgendwohin in die Wohnung stellen konnte, oder wenigstens, die einem was gebracht haben. Und so geschah es, dass eines Tages mein Opa an der Türschwelle mit seinem neuesten Gewinn stand, einem Klavier. Zwar komme ich aus einer jüdischen Familie, aber mit dem Fiddler auf dem Dach sind wir definitiv nicht verwandt, und ausgerechnet dieses eine Klischee ist in voller Gänze an uns vorbei gegangen. Also wurde das Teil in die winzige Bude meiner Großeltern buxiert
Jahrelang wurde es als unpraktische Ablage verwendet, sperrt die halbe Wohnung und stand als drohendes Mahnmal für die Leichtfertigkeit meines Opas. Mit den 80er Jahren kam auch die neue Generation ins Haus, und das Klavier stand nach wie vor völlig unberührt, wie eine alte Jungfer, da. Als kleines Kind hielt ich es für einen etwas missratenen Schrank und weniger für ein Musikinstrument. Zwar hatten wir im Kindergarten auch ein Klavier, auf dem jeden Morgen das Propagandagesinge begleitet wurde, aber das Klavier hatte nichts mit dem Monstrum bei meinem Großeltern gemeinsam. Es ist schon bis zu uns durchgedrungen, dass man es spielen kann, aber (A) durften wir aufgrund der fast krankhaften übervorsicht meiner Großmutter eh nicht dran, man könnte sich ja irgendwie daran verletzten und (B) selbst wenn wir es gewollt hätte, hätte wir die Klappe nicht aufgekriegt, da drauf viel zu viel Zeug rumstand.
Und dann eines Tages geschah das Unfassbare. Das Klavier wurde leer geräumt, ein sehr streng riechender, sehr großer Mann kam zu meinen Großeltern, mit einem Koffer voller merkwürdiger Dinger und machte die Klappe auf und fing auf dem in Jahre gekommenem Musikfalggschiff rum zu hämmern. Man merkte wie das Klavier sich quälte und nicht aus dem Winterschlaf erwachen wollte, es hat sich mit seiner Rolle als Ablage abgefunden und hat sie sogar lieb gewonnen und wollte einfach in Ruhe die nächsten 20 Jahre nichts mehr anderes tun. Nach dem der Stinker mit dem Gerät fertig war, herrschte große Aufregung. Die Familie hat sich versammelt, mein Vater rief mich in die Mitte und verkündete mir voller Stolz, dass dank den guten Beziehungen meiner Großmutter, ich bald in eine Musikschule aufgenommen werde und lerne Klavier zu spielen. Man, war ich da stolz!!!! Da hat man einfach die Risiken der Verletzungsgefahr eines Klavieres völlig über Bord geschmissen und lässt mich unbeaufsichtigt daran.
Es folgten die zwei ein halb Jahre voller Qualen und Schmerz. Zweimal die Woche Klavierunterricht, vor der Schule!!!!!! Einmal die Woche, am WOCHENENDE Chor und einmal die Woche Solfeggio, mit Hausaufgaben und Prüfung!!!!! Nach dem ich dreimal meinen Klavier gewechselt habe, hatte man nicht mehr viel Hoffnung in mich gesetzt, aber dank den guten Beziehungen meiner Großmutter musste ich trotzdem hin. Im Chor hat man mir geraten nur zu den Vorstellungen zu kommen und einfach mich an den Rand zu setzen und den Mund aufzumachen. Im Solfeggio, ich habe erst später erfahren, dass ich eigentlich hin musste.
Nein wahrlich, ich bin und bleibe völlig unmusikalisch. Aber eins steht mit großer Sicherheit fest, diesen Spaß dürfen meine Kinder nicht verpassen.